Dem Menschen auf die Spur kommen - im Dialog mit Stein
Der Stein, Basalt, Der Künstler, Die Skulptur, Der Betrachter
Kann man das überhaupt, über Skulpturen reden?
Ist die Aufgabe des Künstlers, zumal des Bildhauers nicht gerade die,
"den Bereich zu bearbeiten, der jenseits von Sprache liegt?"
Er lasse, meint Knut Hüneke, den Stein lieber für sich reden - und
mit dem Betrachter.
Wir versuchen es dennoch.
Zunächst über das Material zu sprechen, über seine geologische
Herkunft, seine Geschichte, seine damit zusammenhängende Aussagekraft.
Die sei anders in "erstarrter Vulkanschmelze", als in dem "lockeren
Gefüge" von Sedimentgestein, das weniger inneren Zusammenhalt habe.
Und diese unterschiedlichen "Wertigkeiten" der Steinarten wirken
unterschiedlich attraktiv auf Hüneke.
Er könne weiches Gestein nicht ernstnehmen; das Material müsse Widerstand
zeigen; der Stein müsse klingen - um mit ihm in einen Dialog treten zu
können.
Wir sprechen über seine Farbe, das Gefüge, die "von fundamentaler
Aussagekraft" sein.
Eine Aussagekraft, die schon da sei, bevor er als Bildhauer den ersten Schlag
getan habe.
Die er suche und erkenne, wenn er durch die Steinbrüche gehe und sich
die Brocken aussuche.
Er ordere keine Steine im Sägewerk; das sei "langweilig; so ähnlich wie eine
weisse Leinwand."
Hüneke braucht ein Gegenüber, ein Gegenüber mit einer schon vorhandenen Struktur,
mit Substanz, Gewicht, mit Form.
Manchmal sei die Form schon so weit ausgeprägt, dass er nur noch ein
wenig "nachhelfen" müsse; manchmal müsse er aber auch
viel tun, um auf eine Form zu kommen.
Immer im Dialog mit dem Stein.
"Der Stein hat ein sehr grosses Mitspracherecht."
Einerseits.
Andererseits wolle er aber auch erreichen, dass sich sein "menschlicher
(Gestaltungs)Wille manifestiert".
Dass aus dem Stein eine Skulptur wird.
Das muss man balancieren; quasi auf Gegenseitigkeit: "Mein Ziel ist es,
dem Stein soviel zu lassen, dass er Stein bleiben kann und der Figur soviel
geben, dass sie in Erscheinung tritt."
Dann entstehen, wie es einmal ein Schriftsteller anlässlich einer Ausstellung
in Assuan sagte, dann entstehen "Steinwesen". Keine menschlichen Wesen, keine
Abbilder des Menschen, keine kompletten Transformationen - es sind immer noch
eindeutig Steine: in menschliche Proportionen eingeteilt, schon in frühen
Stadien der Bearbeitung als menschliche Figur erkennbar.
Im Dialog mit dem Stein ("Ich lasse mich vom Stein führen.): Etwas wegnehmen,
damit etwas Neues entstehen kann und doch das Ursprüngliche noch sichtbar
bleibt.
Hüneke beschreibt, wie er auf den Stein zeichne und mit dem Eisen nachaue,
und "der Kohlestrich ist real da und eine Kante geworden".
"Ich finde es aufregend, eine dreidimensionale Zeichnung auf den Stein
zu bringen."
Das (in dem/ auf dem Stein Graphik zu machen) habe er gesucht - ohne es zu
wissen - und sei sehr froh, es plötzlich erkannt zu haben, dass man auch
so arbeiten kann.
Das bedeute, der Stein habe ihm geholfen, sich weiterzuentwickeln; und er
hole das Graphische aus dem Stein, Basalt, er verhelfe dem Stein zu dieser Eigenschaft.
Und wieweit ist der Künstler sichtbar in der Skulptur?
Das könne er selber nicht beantworten.
Das müsse jemand Aussenstehendes versuchen, der ihn kenne und die Skulptur.
"Natürlich sind die Skulpturen "ich".
"Aber ansonsten sage er zu seinen Skulpturen nichts; habe es versucht,
könne es nicht.
Das laufe über die Intuition (und müsse es auch bei dem Betrachter),
über Auge und Herz.
"Sprache versagt, wenn man das beschreiben will."
Reden könne das Eigentliche nur ansatzweise umkreisen.
Und das gelte auch für die Frage " Warum Figur?".
Die Frage sei zwar "essentiell, aber mit Sprache nicht beantwortbar."
Er sei an seine Grenzen gekommen, als er versucht habe, zu schreiben, warum
er Figuren mache.
"Das geht ziemlich schnell an die Grundfesten unserer Existenz."
Er könne nur soviel sagen, dass die figürliche Arbeit " nichts
Programmatisches" habe.
Er habe sich nicht aufgrund vorangegangener Gedanken dazu entschlossen, Figur
zu machen.
Egal, wie er an den Stein herangehe, planend oder spontan - es wird eine Figur.
Eine menschliche Figur.
Es gehe ihm um den Menschen; um den Versuch, ihn zu verstehen, sich ihm zu
nähern.
Und vielleicht kommt ja auch der Betrachter, im Dialog mit der Figur, sich
selber näher.
"Wers sehen will, der sieht es auch.
"Aber das kann eine Weile dauern, denn es sind "Skulpturen der leisen
Töne".
Da stecken Sachen drin, "die man erst mitbekommt, wenn man zum dritten
Mal hinschaut", wenn man bereit, "sich in sie hineinzuversenken."
Dann kann es geschehen, dass die Skulptur einem etwas Positives gibt, Kraft;
dass sie ein Ruhepol wird.
Gerade wegen der in ihr steckenden Spannung.
Christoph Hanckel: Nach einem Interview mit Knut Hüneke am 01.06.1999